Buchtipp: Grafiken für eine bessere Welt

Den politischen Humor in Deutschland hatte ich bisher ja verloren geglaubt: Altbackene Karikaturen, „Torten der Wahrheit“ oder ähnliche den Zeitungsrand zierende Versuche, die selten überraschend oder innovativ daherkommen, weil sie genau das darstellen, was wir eh schon wissen; Comedy-Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, in denen Humor meist darin besteht, auf möglichst schrille und alberne Art Leute nachzuäffen; und für diejenigen, denen das zu niveaulos ist, gibt es noch das Kabarett, wo sie zwar auch nichts Neues erfahren, sich aber wenigstens in Ihrer Haltung und ihrem Intellekt bestätigt sehen und nicht ganz so einsam fühlen müssen.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Captain Futura

Die Grafiken für eine bessere Welt beweisen, dass es auch anders geht. Intelligent und lehrreich, aber lustig, konsequent politisch, aber unideologisch, verspielt, aber mit einer bestechenden Klarheit lenkt das Buch den Blick auf das, was zu oft übersehen, zerredet oder vom medialen Empörungs-Overkill zugekleistert wird. Mit chirurgischer Präzision und bemerkenswertem Einfallsreichtum wird eine Vielfalt hochaktueller Themen abgedeckt: Gleichberechtigung, Demokratie, der Kapitalismus, die politische Streitkultur, Extremismus, Mülltrennung, Klimaschutz, digitale Medien, die Zersplitterung der Gesellschaft, die Urbanisierung und andere Probleme sind auf so pointierte Weise aufbereitet, dass mir die Grafiken immer wieder neu die Augen geöffnet haben.

Die vermutlich größte Leistung des Buchs ist es, sich trotz dieser Tiefgründigkeit eine unterhaltsame Leichtigkeit zu bewahren. Während man noch darüber lacht, wie Onkel Martin auf Facebook mal eben 2000 Jahre Wissenschaft löscht und wie Grimms Märchen im Internetzeitalter aussähen, bekommt man quasi nebenbei das Kennzeichnungssystem von Eiern und die Müllentsorgung Deutschlands erklärt und fragt sich, warum nicht schon vorher jemand darauf kam, Toilettentüren mit der Form der Toiletten statt der Form der Menschen zu kennzeichnen. Abgerundet wird das Buch durch gut verständliche, auf den Punkt gebrachte, und nicht minder pointierte Hintergrundinformationen. Es ist wohl deshalb das einzige Buch, bei dem ich mich während des Lesens so gut unterhalten fühlte wie bei einem Monty-Python-Film, und zugleich hinterher so klug wie nach dem Lesen einer Doktorarbeit. Im Gegensatz zu den üblichen Cartoons, die ihren Reiz verloren haben, wenn man sie einmal gesehen hat, kann ich in diesem Buch immer wieder neu blättern.

Es ist damit empfehlenswert sowohl für alle, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, als auch für alle, die einfach mal wieder lustige Unterhaltung wollen. Für jene, die beides schätzen, ist es eine kleine Offenbarung und eine große Ermutigung. Denn wie die allerletzte der Grafiken zu Recht betont: Eine bessere Welt erfordert, dass wir bessere Menschen werden – nicht indem wir makellos sein wollen, sondern indem wir aufrichtig bleiben und uns den Blick dafür bewahren, was uns wichtig ist. Wenn es ein Buch gibt, das uns helfen kann, zu besseren Menschen zu werden, dann dieses.