Buchrezension: Die Welt von morgen

Im Buch „Die Welt von morgen – eine Familie auf den Spuren des Klimawandels“ von Jana und Jens Steingässer berichten die Autoren von ihren Reisen zu Zielen auf der ganzen Welt und geben Einblicke in die Lebensweise anderer Kulturen und die Auswirkungen des Klimawandels. Zusammen mit ihren vier kleinen Kindern und einer entsprechend großen Ausrüstung wandern sie durch entlegene Gegenden Lapplands, überqueren die Alpen, kämpfen sich durch die australische Wüste, besuchen Grönland, Island, Marokko und Südafrika. Das Buch setzt vor allem auf visuelle Eindrücke (geschätzte 75% der Seiten sind von Bildern bedeckt), ergänzt mit Berichten zu Erlebnissen der Familie, die ganz nebenbei Aufschluss über die besuchten Kulturen geben.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Jens und Jana Steingässer

Während die (zumindest im Buch so dargestellte) Zähigkeit der sich durch die abgelegensten Landschaften schlagenden Familie und ihre logistische Leistung besonders für Abenteuerreisende inspirierend sein mag, sind für am Thema Klimawandel interessierte Leser einige Hintergrundinformationen eingestreut. Für ein Buch mit dem Anspruch, den Klimawandel zu beleuchten, sind diese leider eher spärlich, zeichnen aber ein erfreulich wertneutrales und ausgewogenes Bild der Menschen vor Ort, und wirken aufgrund der direkten Erfahrungen authentisch. Die offene Haltung der Autoren gegenüber ihren Gastgebern führt an den besten Stellen des Buchs so zu neuen Einsichten jenseits klischeebehafteter Vorurteile. Man ahnt, dass der Klimawandel ein komplexes Problem ist, dessen Auswirkungen sich nicht immer in einfache Schemata pressen lassen. Ergänzt werden die an ein Reisetagebuch erinnernden Erlebnisberichte durch Beiträge von Gastautoren, darunter Jostein Gaarder, Harald Welzer und die Klimawissenschaftler Mojib Latif und Stefan Rahmstorf. Besonders anregend fand ich persönlich den wohltuend differenzierten Beitrag der Anthropologieprofessorin Sarah Strauss („Kulturverlust? Ja, aber…“), der sich dem Einfluss des Klimawandels auf die Kultur von Völkern widmet.

Wer einen persönlichen und zugleich ökologisch und sozial relevanten Einblick in das Leben an den acht Reisezielen erhaschen will, ist mit dem Buch gut bedient. Als eine Art Mischung aus National-Geographic-Bildband, Familienalbum, wissenschaftlichem Sachbuch und Reisetagebuch ist es vermutlich für verschiedenste Zielgruppen und Altersklassen interessant. Mich selbst lässt dieser Ansatz allerdings auch etwas ratlos und unbefriedigt zurück. Statt der vielen selbstbezogenen Familienfotos und persönlichen Anekdoten hätte ich mir gewünscht, dass der Fokus konsequenter auf den Auswirkungen des Klimawandels läge. Außerdem drängt sich wohl oder übel die Frage nach den zahlreichen Flugreisen der Familie auf, die im offensichtlichen Widerspruch mit dem Ziel des Klimaschutzes stehen. Ob die Emissionen zumindest kompensiert wurden, ist dem Buch nicht zu entnehmen. Immerhin wurde es klimaneutral gedruckt – eine sinnvolle Maßnahme, die angesichts der Flugzeugemissionen aber wohl einen vergleichsweise winzigen Effekt haben dürfte.