Klimawandel-Computerspiel: A new beginning

Grafik-Adventures des Point-and-click-Genres verbinden traditionellerweise komplexe Rätsel mit einer packenden Story, hübschen Zeichnungen und gelegentlich auch einer ordentlichen Portion Humor. A new beginning, ein Spiel des deutschen Spieleentwicklers Daedalic, ist nicht nur ein weiteres Lebenszeichen dieses großartigen Genres, sondern hat zugleich noch einen ernsten wissenschaftlichen Hintergrund: den Klimawandel. Vom Konzept her ist dieser Öko-Thriller also eine seltene und erfrischende Bereicherung des Computerspielemarkts.

Die Komplexität der Rätsel orientiert sich dabei jedoch weniger an den herausragenden Klassikern des Genres aus den 1990er Jahren (Day of the Tentacle, Sam and Max, Discworld), sondern macht Konzessionen an die offenbar gesunkene Geduldsspanne der Spielenden. So erkundet man immer nur wenige Räume auf einmal; die zu kombinierenden Gegenstände kann man zu fast jedem Zeitpunkt an einer Hand abzählen. Die meisten Rätsel lassen sich daher auch durch bloßes Ausprobieren lösen. Da sie aber recht logisch und dennoch einfallsreich und meist nicht zu offensichtlich konzipiert sind, macht das Lösen dennoch Spaß. Sehr gelungen sind auch der filmreife Soundtrack und die Grafik mit den handgezeichneten Kulissen und einer innovativen comicartigen Gestaltung der Erzählebene. A new beginning besticht außerdem durch eine recht langwierige, nicht-linear erzähle Handlung, die sich über zahlreiche Etappen entspinnt und die beiden steuerbaren Protagonisten an verschiedenste Orte auf der ganzen Welt führt – und sogar in verschiedene Zeiten.

Damit kommen wir aber auch zum Problem des Spiels: dem eigentlichen Inhalt der Handlung. Denn die vielversprechende Idee, den Klimawandel zum Thema eines Computerspiels zu machen, wird leider dadurch konterkariert, dass der Klimawandel des Spiels mit dem der realen Welt nichts zu tun hat. Sowohl  die Naturgesetze als auch die menschliche Logik und Psychologie sind auf so bizarre Weise verzerrt, und in einer undurchsichtigen Suppe aus Plot-Elementen verrührt, dass man die Handlung nicht gerade ernst nehmen kann.

Das vom Klimawandel zerstörte San Francisco im Jahr 2050 (Bildrechte: Daedalic Entertainment)

Im Großen und Ganzen geht es um Folgendes: Eine globale und irreversible Klimakatastrophe wird allein dadurch ausgelöst, dass ein einzelnes Kraftwerk durch einen Störfall explodiert. Um welche Art von Kraftwerk es sich handelt, wird zunächst nicht erwähnt, im späteren Verlauf der Handlung scheint es sich um ein Kernkraftwerk zu handeln (welches absurderweise mitten in Amazonien weitab der Zivilisation steht). Der ausgelöste Klimawandel vernichtet zunächst Amazonien und in den darauffolgenden Jahrzehnten dann auch sämtliche Städte der Welt, die hinterher aussehen, als hätte ein Atomkrieg stattgefunden. Außerdem mehren sich schlimme Vulkanausbrüche. Es handelt sich bei den Klimaänderungen (vielleicht wegen der Vulkanausbrüche, vielleicht aber auch nicht) keineswegs um eine globale Erwärmung wie sie in Wahrheit stattfindet, sondern um ein merkwürdig heterogenes Muster: Manche Städte sind verbrannt, andere zugefroren.

Einige hundert Jahre später steht die Menschheit dann vor dem Aussterben, weil aufgrund des Klimawandels das Magnetfeld der Erde kollabiert und die Menschen nicht mehr vor Sonneneruptionen schützt. Die einzige Rettung der Menschheit ist es, den Lauf der Geschichte zu ändern, das Kraftwerk abzuschalten und stattdessen rechtzeitig elektrische Energie aus Meeralgen zu gewinnen. Wie so oft im dramatisierten Kontext einer solchen Erzählung, gibt es innerhalb der gesamten Menschheitsgeschichte genau einen einzigen Wissenschaftler, der sich damit auskennt. Die aussterbende Menschheit schickt daher ein Team zurück durch die Zeit, um seiner Technologie zum Durchbruch zu verhelfen und die Reaktorkatastrophe zu verhindern. Es ist nicht geklärt, ob den Autoren dieser sagenhaft hanebüchenen Handlung der tatsächliche kausale Zusammenhang zwischen Klimawandel, Kernkraft, Vulkanausbrüchen und dem Erdmagnetfeld klar ist (richtige Antwort: es gibt keinen), ob sie ihre Schulbidlung in einer Esoterik-Sekte erhalten haben, und welche Drogen in welcher Menge hier eingenommen wurden.

Andere Plotelemente sind ähnlich konfus (Vorsicht: Spoiler im nächsten Absatz). Beispielsweise stellt sich heraus, dass der Sohn des Protagonisten insgeheim als Handlanger der Kernkraftmafia arbeitet. Er hilft, die Arbeit an den Algen zu sabotieren, das Labor in die Luft zu sprengen, und seine Kollegen und seinen eigenen Vater umzubringen (wobei letzteres scheitert). In der direkt auf den Mordversuch folgenden Szene schließt er sich plötzlich doch noch der guten Seite an – ohne richtige Begründung, und ohne, dass ihm sein mit dem Leben davongekommener Vater den Mordversuch und seinen Verrat übelnehmen würde. Aber es kommt noch besser: Wie sich schließlich offenbart, will der Leiter des zeitreisenden Teams den Reaktorunfall gar nicht verhindern, sondern ihn erst auslösen – mit dem Motiv, dass er die Menschheit aufrütteln will, etwas zu tun. Wieso man die Welt zerstören sollte, damit die Menschheit erkennt, dass man die Welt nicht zerstören sollte, wird – man mag es sich denken – nicht weiter erklärt.

Im Vergleich mit A new beginning ist sogar der Klimawandel-Blockbuster „The day after tomorrow”, in dem die USA durch einen Abbruch der Nordatlantikzirkulation innerhalb weniger Wochen zu einer Eiswüste werden, ein Vorbild wissenschaftlicher Korrektheit, da er immerhin auf das Thema Klimawandel fokussiert bleibt und eine wissenschaftliche Hypothese zur Grundlage hat. In A new Beginning dagegen werden verschiedenste Narrative und Klischees aus früheren Öko-Dystopien, Gangster-Epen und Zeitreisefilmen wahllos miteinander verrührt. Natürlich ist das Abweichen von wissenschaftlich stringenten oder korrekten Grundlagen in einem Computerspiel völlig legitim und muss keine schlechte Geschichte ergeben. Und das Element der Zeitreise wäre sogar eine gute Grundidee gewesen, um die langfristigen Konsequenzen unserer Energieversorgung für das Weltklima aufzuzeigen. Allerdings wäre dazu etwas mehr Sorgfalt und Stringenz in der Handlung vonnöten gewesen. Der gesamte warnende Unterton des Spiels läuft so nicht nur ins Leere, sondern macht das Thema auch ein Stück weit lächerlich, da hier vor etwas gewarnt wird, das es so nicht gibt.

Insgesamt handelt es sich bei A new beginning wie oben erwähnt dennoch um ein spielerisch und technisch recht gelungenes und auch kurzweiliges Adventure, und ist insofern durchaus zu empfehlen. Als Klimawandel-Bildung sollte man es dabei aber bitte nicht begreifen.